Skizzen aus Freienohl von Else Keßler

 entnommen aus: Sauerländischer Gebirgsbote - Zeitschrift des Sauerländischen Gebirgs-Vereins, Nr. 4 Juli/August 1952



Luftkurort Freienohl 1951

Dass schon die alten, freien Germanen in Ohl wohnten und auf dem Küppel, dem höchsten Berge innerhalb des Ortes, ihren Göttern das makellose weiße Fohlen opferten, ist nicht nur Sage, sondern Geschichte Freienohls. Das heutige Ortsbild, der Mittelpunkt, sei nur in einigen Sätzen erwähnt. Alte und neue Wege, über die zum Teil Viehherden zur Weide getrieben werden, buckelige und asphaltierte Straßen findet man schließlich noch und schon überall, auch in Freienohl. Sauberkeit und Gepflegtheit der Wohnhäuser tragen zur Verschönerung des Ortsbildes sehr bei. Freundliche Fachwerkhäuser und solche in geschmackvollem Buntanstrich mit alten Inschriften scharen sich um die alte Kirche mit grauen Mauern und grauem Turm. Zahlreiche Neubauten, durch die zum Teil ganz neue Straßen entstanden, lassen den Besucher des Aussichtsturmes eine Eigenart, die Kreuzform des alten Freienohl, nur schwerlich erkennen. Leider besteht die Gefahr, dass alte Namen und Bezeichnungen von Wegen, Tälern usw., die ein Stück Geschichte in sich bergen, in Vergessenheit geraten oder eine Modernisierung erfahren.

Wenden wir uns nun der Umgebung zu, deren Schönheit und Eigenart in einigen Skizzen kurz wiedergegeben sei.

Das Ohl

Einen mächtigen Bogen beschreibt die wilde Ruhr um das liebliche Tal mit seinen fruchtbaren Äckern und saftiggrünen Weiden, um sich dicht an den Fuß des Küppels zu schmiegen. Ihre klaren Wellen wollen über das Wurzelwerk der Buchen und Weiden, die ihre Zweige tief zum Wasserspiegel neigen. Im Strandbad am linken Ruhrufer suchen Menschen, junge und müde, Erholung und Loslösung vom Alltag und finden sie denn im Plätschern der erfrischenden Wellen, im nervenberuhigenden Wiegen reifender Ähren, im ozonreichen Hauche des Waldes und dem satten Grün, das den Augen so wohl tut, sickert eine Quelle der Gesundheit.

Abend in der Bergmecke

Die letzten Sonnenstrahlen treffen den Wald, die Ruhebänke auf der westlichen Höhe. Sie spielen um die harzigen Stämme der dunklen Fichten am südlichen, um die hellgrünen Spitzen der Jungfichten am westlichen Hange, um die knorrigen Eichen und das vielartige Buschwerk. Ein kräftiges, warmes Braun fließt herein über den nadelbedeckten Wald und badet und gleitet den Jungfichtenhang hinunter. In matterer Tönung überflutet es das Laubwerk der Eichen und tropft durch die Blätter auf korallenrote Waldbeeren. Ein Windhauch zerreißt den herben, schweren Duft des blühenden. Waldgeißblattes. Tief unten in den Fichten lauert die Nacht.

Im Rümeketal

Die kristallklaren Wellen des Wildbaches Rümeke springen übermütig über Geröll und Baumwurzeln, graben sich ihr Bett durch Gras und Blumen. Ihr wildes Rauschen und ihr erfrischender Hauch beleben das friedliche Tal. Zu ihrer Linken grasbewachsene Höhen, an deren Hang einzelne Laubbäume von herrlichem Wuchs und mit stolzer Krone stehen. Rechts trillern am hohen Fichtenufer die kleinen Tannenmeisen. Tief unten liegt der stille Weiher. Algen und Wasserrosen spielen auf seiner blau-grünen Fläche. Blumen jeder Art und Farne duften und leuchten noch weit über den Weg. Dem müden Wanderer im Gras bieten Birken und Weiden mit zartbelaubten Zweigen Schutz und Kühlung und die alte Sägemühle lugt wie aus einem grünen Strauß hervor.


Partie im Rümeketal

Auf der Feiwe

Mitten in die Wildnis, in Farn und Gestrüpp hinein führt der einsame, hochgelegene Weg über die Feiwe. Zu seiner Rechten blühen und reifen Korn- und Kleefelder. Lerchen steigen daraus empor und trillern nimmermüde ihre Lieder. Käfer hasten durchs Gras und Heidekraut. Wilde Rosen und Glockenblumen blühen am Wege und zwischen goldgelben Halmen leuchten Kornblumen und Mohn. Einen herrlichen Ausblick hat der Wanderer vom Wege aus, hinunter ins Rümeketal, und der köstliche Waldduft von drüben dringt herauf zur Höhe — zur Wildnis.


Literaturnachweis: Sauerländischer Gebirgsbote - Zeitschrift des Sauerländischen Gebirgs-Vereins, Nr. 4 Juli/August 1952
Bildnachweis: Karten befinden sich in der Sammlung von Karl-Heinz Kordel, Freienohl