Der Freienohler Gemeindewald um 1867

Nachhaltig mit der Natur und dem Wald leben


 Am 1. März konnte man in der Westfalenpost lesen: "NRW will wieder Wald kaufen. Minister Remmel kündigt Kurswechsel an ..."

Für die Freienohler Bürger ist „Nachhaltigkeit“ schon seit mehr als 150 Jahren nichts Neues: Der Freienohler Amtmann Devivere, der „von oben“ eingesetzt war, ordnete am 19. April 1851 an: „...eine Hauung bzw. der Verkauf dieser Eichen (ganz bestimmte sind gemeint) sei gegen die Prinzipien einer nachhaltigen Forstwirtschaft!“

Also keine Erfindung und Erfahrung der Jetztzeit. Damals fiel vieles zusammen, Es war nicht einfach. Oft war man im Zwiespalt zwischen nachhaltigen Leben mit der Natur, mit dem Wald und zwischen dem Überleben mit Frau und Kindern in den Wintern bei Kälte und Schnee!

Holzdiebstahl im Gemeindewald im Winter 1867#

Vom 4. Februar 1867 aus dem Protokoll, Tagesordnungspunkt 1182 unserer Gemeinde-Versammlung. Die bestand aus dem Amtmann Ley und dem Gemeindevorsteher Joseph Funke gnt. Schilling, Ackersmann, Holzhauermeister, Alte Haus-Nr. 2;  den Gemeinde-Beigeordneten Johann Kückenhoff gnt. Frohnenmann, Ackersmann, Alte Haus-Nr. 59; Maurermeister Franz Göckeler, Alte Haus-Nr. 107;  Arnold Geihsler;  Heinrich Düring gnt. Adames, Ackersmann, Schuster, Alte Haus-Nr. 5;  Franz Tönne, Leineweber, Raseur (Friseur), Postexpediteur, Alte Haus-Nr. 85 oder 106;  Fritz Ernst Kerstholt, Wirt vom Lindenhof und Schüsseldreher, Alte Haus-Nr. 83 oder 45;  Schreinermeister Heinrich Sahse, Alte Haus-Nr. 23.

Anmerkungen: Die Berufsangaben und Alten Haus-Nummern sind nicht im Protokoll angegeben. Sie mögen insofern wichtig sein, weil sie andeuten, wer „hinter“ diesen Beigeordneten „steckt“. Auch noch nicht unwichtig: den routinierten Schreibstil dieser Protokoll-Texte schaffen bestimmt nicht unsere Freienohler Beigeordneten. Dafür hat der Amtmann einen Sekretär, der wohl in Arnsberger Behörden seine Erfahrungen gesammelt hat. Sein Name ist leider nicht immer aktenkundig.

"Die Versammlung erklärte nach einer Landrätlichen Marginal-Verfügung (vom Landrat in Arnsberg, besonders wichtig) nach vorgängiger Beratung einhellig (einstimmig), dass im letzt verflossenen Monat, während die zum überwiegenden Teil aus Handwerkern bestehende Einwohnerschaft durch den Schnee an der gewöhnlichen Beschäftigung (üblichen täglichen Arbeit) behindert gewesen, der hiesige Communal-Wald (der Gemeinde Freienohl gehörend) allerdings durch auffällig häufige Holzdiebstähle nicht unmerklich gelitten habe, dass indes sofort bei Wahrnehmung dieses Übelstandes seitens der Gemeinde-Vertretung dem hiesigen Förster in der Person des Cultur-Vorstehers und Flurschützen Düring eine Aushilfe überwiesen worden sei, welche insofern vorzuziehen sein dürfte, als Düring in Bezug auf die einzelnen Walddistrikte und deren Grenzen (zum „Staatswald“) sowie auch gegenüber den Holzfrevlern vollständige Lokalkenntnis besitze (Ortskenntnis = Menschenkenntnis, wo ein Auge zuzudrücken sei).

Die ungewöhnliche Ausdehnung des Holzdiebstahls, der übrigens nach dem Abgang des Schnees (Ende des Schneefalls) bereits auf das gewöhnliche Maß zurückgeführt werden könne, nicht auffallen, da es der nicht Wald besitzenden Klasse der hiesigen Einwohnerschaft an Gelegenheit gemangelt habe, den Brennholzbedarf sich rechtzeitig auf gesetzlichem Wege zu beschaffen. Wäre auf Seiten des Oberförsters mit den Hauungen, wie dies füglich (normalerweise, eigentlich) geschehen könne, gleich nach erfolgter Entlaubung des Holzes (der Bäume) und dem gemäß mit den Verkäufen spätestens im Monat Dezember statt im Januar vorgegangen worden, so habe die Abfuhr nach Bedürfnis bewerkstelligt werden können. Nun aber seien viele der hiesigen ärmeren Leute, obgleich sie anfangs Januar Ankäufe gemacht hätten, durch den stellenweise den Verkauf im Wald gänzlich unterbrochenen Schnee gewissermaßen zum Stehlen des Holzes aus günstig gelegenen Distrikten gezwungen gewesen und würden keine verschärften Maßregeln derselben zu verhindern vermerkt haben.

Nicht wieder sei dem Holzdiebstahl auch dadurch Vorschub geleistet worden, dass im laufenden Winter von dem zum Einschlag kommenden Schlagholz  (die zum Fällen gekennzeichneten Bäume), welches wegen seines  geringen Preises vorzugsweise von solchen Käufern in Aussicht genommen werde, denen es zu schwer falle, den dem harten Holz entsprechenden höheren Preis anzulegen, bis jetzt auch gar nichts zur Abgabe bzw. Versteigerung gelangt sei.

Mit Rücksicht hierauf und in Erwägung, dass der Holzdiebstahl tatsächlich nachgelassen, dieserhalb auch der Förster Heidfeld, die Versicherung abgegeben habe, er fühle sich sehr wohl imstande, mit Hilfe des Düring nunmehr den Forstschutz zur Genüge wahrzunehmen, beauftragte die Versammlung den Vorsitzenden (Amtmann Ley), bei dem Herrn Landrat den Antrag zu stellen, dass von der durch den Herrn Oberförster Harbert vorgeschlagenen Anordnung eines verstärkten Waldschutzes Abstand zu nehmen.

Die zu 14 bis 15 Silbergroschen täglich veranschlagte Renumeration (Bezahlung) für den zu bezahlenden Forstjäger hält die Versammlung als angemessen."

Auch dies ist Merkmal nachhaltigen Lebens. Aus der Gemeinde-Versammlung am 1. Juni 1867, TOP 1207:

Der Förster Heidfeld hat aufgrund eins von der Königlichen Regierung  (in Arnsberg) festgesetzten Cultur-Plans für 1866/67 200 Ruthen  (ca. 960 m) Schonungsgräben im hiesigen Communal-Wald anzulegen, beantragt. Die Versammlung hat beschlossen, die Arbeiten baldmöglichst in Verding zu geben (in der Gemeinde öffentlich auszuschreiben).

Eigenartig und nicht aktenkundig: 6 Monate lang kein Sitzungsbefund. Also der nächste Winter. Aus der Gemeinde-Versammlung am 31. Dezember 1867, TOP 1214:

Es wurde zum Vortrag gebracht, dass sowohl zur Steigerung der Gemeinde-Einkünfte für das nächste Jahr und der sich dadurch ermöglichenden Herabsetzung des Communal-Steuer-Defizits als auch um, wenn auch nur einen Teil, der meistens aus gewöhnlichen Handwerkern bestehenden hiesigen Bevölkerung für einige Zeit Arbeit und Verdienst zuwenden zu können, wünschenswert erscheinen, wenn außerdem im Hauungsplan für das Wirtschaftsjahr 1867/68 vorgesehenen Einschlags-Quantum noch eine angetroffene Partie Brennholz zum Einschlagen (Fallen) und Verkaufe gestellt würde. Die Arbeit und Verdienstlosigkeit unter der zahlreich vertretenen ärmeren Klasse sei so groß, dass sich bei der herrschenden Teuerung (Verteuerung) fast sämtlicher Lebensbedürfnisse das Schlimmste befürchten lasse  und wenn das Einschlagen einiger Hundert Klafter Holz auch keine wesentliche Erleichterung gewährt, so biete diese Arbeit doch schon manchen der hiesigen  Holzhauer wegen der dem Vernehmen nach, im laufenden Winter in den fiskalischen Forsten (Staatswäldern) sonst gänzlich ausfallenden Hauungen Gelegenheit zu einigem Erwerb während der jetzigen strengsten Winterzeit, bei welcher keine weite Märsche, wie sich solche die Leute sonst wohl gefallen lassen, gemacht werden könnten.



In Rücksicht hierauf wurde einhellig beschlossen, höheren Orts den Antrag zu stellen, dass der hiesigen Gemeinde das Einschlagen von etwa 300 Klaftern  (knapp 1000 m³) Schlagholz als Extraordinarium (außerhalb der üblichen Ordnung) gestattet werde, welches Quantum nach dem Ermessen der Gemeinde-Versammlung nicht allein unzweifelhaft zu durchaus entsprechenden Preisen sich verwerten lasse, sondern tatsächlich noch zur Bestreitung vorliegender Bedürfnisse und somit zur Verhütung überhandnehmender Forstfrevel erforderlich sei.

In Erwägung, dass nach Vollendung des nahe bevorstehenden Eisenbahn-Baus der Kohlen-Brand in hiesiger Gegend allgemein mehr Eingang finden werde und dadurch sich für das Brennholz ein dem Waldbesitzer nachteiliges Sinken der Preise erwarten lasse, sowie in fernerer Erwägung, dass der hiesige Communal-Wald offenbar eine das seit Jahren übliche Maß bei weitem übersteigende Masse Brennholz unbeschadet des wirtschaftlichen Zustandes abzugeben vermöge, glaubte die Versammlung der Willfährigkeit seitens der Communal-Forst-Behörde bzw. Aufsichtsbehörde versichert sein zu dürfen und bat dieselbe schließlich um noch möglichste Beschleunigung der Resolution.

 

Zusammenstellung und Kommentar: Heinrich Pasternak

Quelle der beiden Bilder:
Andreas Schule (Hg.): Wald in Nordrhein Westfalen, Verlag Aschendorff Münster, 2003, 2 Bände, ISBN  3-402-o6481-2; hier Band 1 S. 208, 217.