Geschichtliches zur "Freienohler" Ruhr - von ca. 1800 bis 1938

von Heinrich Pasternak


            Hier fließt friedlich die "Freienohler" Ruhr. In der Vergangenheit
           gab es jedoch viele gerichtliche Streitereien um ihren Ruhrverlauf

Vorbemerkung

Ein geschichtlicher Rückblick über unsere Ruhr von etwa 1800 bis 1914, mit einer kleinen Kahnfahrt im Jahr 1928. Ein besonderes Kapitel bieten die im ehemaligen Amtshaus gelagerten Archivalien AA 511 an. Manches Mal zum Schmunzeln über das sehr persönliche Verhältnis der Freienohler zu ihrer Ruhr, über ihr sehr persönlich klingendes Verhalten (die Ruhr ist sozusagen wirklich weiblichen Geschlechts!) einerseits, und andererseits, vielleicht gerade deswegen, die oft auch anstrengende Fürsorge um ihre Ruhr.
Akten typisch ist der Anlass für die Sammlung von AA 511 und 1665: Streitereien zwischen Gemeindebesitz und Privatbesitz am Ruhrufer, mit dem Ruhrufer, mit dem „Strom-Bett“ - so wird die Ruhr auch schon mal genannt.

Gerichtsverfahren über Gemeinde-Besitz und Privat-Besitz am Ruhr-Ufer

Also, wichtig sind in diesem Text nicht die Streitereien mit ihren damit verbundenen Namen. Die Namen sind nur insofern wichtig, weil sie unsere Vorfahren sind, unser Zusammenleben früher geprägt haben.

Am zumeist vorläufigen Schluss eines solchen Abschnitts steht zur Klarstellung, zur Klärung eine Gerichtsverhandlung, wegen der Gemeinde-Grundstücke in Arnsberg, beim Landrat mit seiner Behörde; so am 18. Juni 1845; vorher eine am 17. Mai 1842. Die Zeugen seien festgehalten. Im Protokoll steht auch das Lebensalter. Das Zurückrechnen und das Zurückblicken in die früheren Jahre und die Anzahl 16 können das Zusammenleben noch nachvollziehbarer und deutlicher machen: Georg Funke 76, Kaulmann 66, Beilieger Kaspar Köster 60, Beilieger Franz Köster 60, Sloby (?) 64, Adam Schröer gnt. Hollmann 45, Caspar Eickelmann 68, Caspar Lenze (o. J.), Heinrich Weber 49, Adam Mester 56, Beilieger Lardon (62), Beilieger Hirnstein (55), Fritz Kehsler 88 (ausdrücklich: der Älteste), Evers (o. J.), Heinrich Wrede (56).

Nun folgen – auch manchmal zum Schmunzeln – auszugsweise und aneinander gereiht wörtliche Zitate dieser Senioren, die ihr Verhältnis zu ihrem „Strom“ (so sagen sie auch) deutlich machen – So hat nach den Akten AA 511 und 1665 die Ruhr in den letzten 50 Jahren nach den Zeugen-Aussagen mehrmals ihr Bett gewechselt.

  •  „Um 1800 hatte die Ruhr oberhalb Freienohl zwei Arme... Im Jahr 1808 mochte ungefähr ein Jahr lang die Ruhr den bezeichneten Lauf gehabt haben. Als wir preußisch geworden, war der linke Nebenarm der Ruhr verschwunden.“
  • „In den Weidebüschen hütete der Gemeinheitshirte die Schweine. Damals war nur der eine Strom der Ruhr vorhanden. Später warf sich der Hauptstrom der Ruhr mehr rechts. In dem mit Weiden bewachsenen Grundstück zur linken Seite der Ruhr – in dem früheren Ruhrbette - blieb der Nebenarm der Ruhr. Noch später trat wieder eine Veränderung ein. Durch eine Überschwemmung wurden die Weidenbüsche weggenommen, jedoch nicht ganz. Nach der Seite, wo die Ruhrbrücke ist, blieb etwas zurück, tiefer unten aber wurden sie ganz weggenommen, sodass der Nebenarm der Ruhr von da an die Wiese (des Becker gnt. Kaiser) bespülte. Demnächst wurde auch jener Rest der Weidebüsche durch Überschwemmung weggenommen. Gleichzeitig aber verlor sich jetzt der linke Nebenarm der Ruhr, so dass jetzt der ganze Strom auf rechts ging.“  
  • „Das Hude-Grundstück wurde übrigens bei einer Überschwemmung der Ruhr weggespült und von dem Wasser eingenommen, so lange die Überschwemmung dauerte. Als diese aufhörte, wich die Ruhr in ihr gewöhnliches Bett zurück. Auf dem fraglichen Hude-Grundstück lagen Steine, Fluss-Geschiebe, Ruhr-Geschiebe.“
  • „Durch die Veränderung des Ruhr-Ufers haben sich Zuwächse gebildet (1810).“
  • „...einen Graben werfen lassen, um die Ruhr in das alte Bett zurück zu leiten, was jedoch durch die nächste Flut vereitelt worden sei...“
  • Der Besitzer „hat zum Schutz der Wiese das Ufer (1819, 1820, 1821) geschlächtet“ (= befestigt mit Steinen oder / und mit Faschinen, das sind handgefertigte Weiden-Geflechte mit in den Boden eingestampfte Pfähle).
  • „...die herfließende Ruhr hat einen zweiten Arm gebildet...“
  • „....da ist ein Graben aufgeworfen worden, um dem Strom eine bessere Richtung zu geben...“
  • „...das Gras hat sich der Besitzer durch Abmähen oder Behuden mit seinem Vieh (Beweiden) zu eigen gemacht...“
  • „...die Ruhr hat sich den ganzen Platz zu ihrem Bett gewählt...“
  • „...hat sich ein zweiter Nebenarm der Ruhr gebildet und das Bett für mehrere Jahre beibehalten...“
  • „...das Flussbett, das vom Strom wieder verlassen wird und sich wieder ein anderes sucht...“
  • „Wenn die Ruhr ein solches Bett einige Jahre behält, so ist das offenbar nicht als eine bloße Überschwemmung anzusehen...“
  • „...Die Wiese wurde vor ein paar Jahren ganz von der Ruhr verschlungen und in deren Strombett verwandelt...“
  • „...und der ganze Strom hat sich nach rechts gewendet...“
  • „Die Weiden schienen den Zweck zu haben, das Land gegen die Ruhr zu schützen.“
  • „Der Nebenarm der Ruhr hat sich übrigens in jener Zeit verloren und die Weiden sind verschwunden.“ - „Ich habe selbst in den Ufern der Ruhr an jener Wiese gekrebst“ (Krebse gesammelt).
  • „Da hatte die Ruhr ihr eigentliches Bett gehabt.“
  • „Er war von ihr zur Anlegung eines Krippenwerks genötigt“ (Ufer-Schutz: Faschinen)..

Auf der Urkasterkarte der Flur 1, aufgenommen im Jahre 1827, ist deutlich der alte Ruhrverlauf zu sehen und die Verschwenkung nach rechts, so wie vom Zeugen beschrieben "Gleichzeitig aber verlor sich jetzt der linke Nebenarm der Ruhr, so dass jetzt der ganze Strom auf rechts ging."

Nun folgen aus dem Archiv-Material AA 511 noch zwei Inhalte, die das Zusammenleben und Zusammenarbeiten Freienohler mit ihrer Ruhr deutlich machen.

Am 18. August 1818: Das „der Gemeinde Freienohl zugehörige Brückenhaus“ soll meistbietend verkauft werden. „Das Haus und der Garten werden so verkauft, wie sie sich befinden. Letzterer jedoch ohne die darin sich befindenden Gartenfrüchte und solches kann 14 Tage nach Michaelis (= 29. September, also ab 15. Oktober) dieses Jahr bezogen werden...  Der Ankäufer erhält das Recht, zwei Stück Hornvieh und ein Schwein dem gemeinschaftlichen Hirten (= Gemeinde-Hirt) vorzutreiben, wem er dann auch den Hirtenlohn und Kost entrichten muss nebst der Stellung eines Beihirten... Kein Holz darf der Ankäufer im Kommunalwald abstammen...“ Die Anbieter werden aufgelistet und ihr ansteigendes Angebot: Henrich Spennschröer 100 (die Währung wird hier ausgelassen), Gaudenz Kerstholt 250, Caspar Stierenberg 280, Gaudenz Kerstholt 300, Caspar Tönne 310, Franz Kaulmann 312, Caspar Stierenberg 320, Theodor Neise 321 und Joannes Lenze 350 als Letztbietender und Käufer.

Auch eine alte Lagebezeichnung "in der alten Ruhr" weist auf einen ehemaligen anderen Ruhrverlauf hin.

Um „die Zurückverlegung des Flusses in sein altes Bett und um die ganze künftige Unterhaltung“ geht es im langwierigen Prozess zwischen den Ruhrwiesen-Besitzern, der Gemeinde Freienohl und dem klärenden Gericht beim Landrat in Arnsberg mit dem Wegebaumeister Friedrich Boese, dem Sekretär Schulte, dem Regierungs-Sekretär-Assistenten Gronarz am 5. und 8. Mai und am 22. und 23. September 1834. Oben in der Einleitung dieses Ruhr-Kapitels stehen viele wörtliche Zitate aus diesem Prozess; wichtig ist das Zusammen-Leben mit der Ruhr und nicht das Streiten der Freienohler. (AA 1665)

Vom 31. Januar 1825 liegt ein ziemlich ausführlicher Zustandsbericht vor vom Ruhrverlauf, genauer: vom links- und rechtsseitigen Ruhrufer unterhalb und oberhalb der (alten) Ruhrbrücke (auch Plasterbrücke genannt). Bei der Besichtigung und anschließenden Berichterstattung waren anwesend (= Präsentes): Regierungsrat Clemen, Landrat Thysing (Thüsing) von Arnsberg und Bau-Inspektor Retler.

Auszüge aus dem Protokoll (im Original sind zwei Skizzen eingefügt):

  • „Gleich unterhalb der Freienohler Brücke (daneben gab es auch eine Furt) findet eine Verwilderung des Stromes statt, von welcher die gezeichnete Skizze ein ungefähres Bild gibt“
  • Es handelt sich um die ehemalige Brücke, knapp 100 Meter von der jetzigen Ruhr-Brücke Richtung Bahnhof entfernt.
  • Dann folgen konkrete Vorschläge, die
  • „Grundstücke im Fluss weg zu nehmen“ (aufgrund der Skizze sind an dieser Stelle mit den „Grundstücken“ wohl Sandbänke gemeint).
  • „Es ist auf die Ausführung dieser Vorschläge um so mehr zu achten, da eines Teils viele nahe gelegene und schöne Grundstücke durch den seitherigen Flusslauf verwüstet sind, bei deren Menge sich aber beim Grundbesitzer die Schwierigkeiten häufen werden.
  • .. Die Grundbank oberhalb der Freienohler Kapelle am rechten Ufer muss gehörig bepflanzt werden (die ausdrücklich „ehemalige“ Küppel-Kapelle ist gemeint! ein historischer Beleg für diese noch ältere Kapelle als die von 1902).
  • ..Gleich unterhalb dieser Stelle müssen die hochstämmigen Bäume auf dem rechten Ufer abgehauen werden (der ehemalige untere Küppelweg führte wesentlich tiefer als der jetzige an der Ruhr entlang!).
  • .. reicht es hin, wenn der Fluss an einigen Stellen von den alten Stämmen und größeren Sträuchern gereinigt wird.“

Am Schluss merkt der Landrat Thysing in einer Extra-Notiz vom 11. März an, dass der Freienohler Schultheiß Feldmann dieses Protokoll erhalten soll, um die Arbeiten in Auftrag zu geben – für das Zusammen-Arbeiten der Freienohler.

Schlächtung der Pfarr-Wiese und Ruhr-Wiese im Ohl, in der Lanfer

Lanfer manchmal auch Langfer geschrieben; gemeint sind die Ruhrwiesen oberhalb der Ruhrbrücke, beim Schützenplatz der 3. Kompanie, beim Regenbogen-Kindergarten und der Konrad-Adenauer-Hauptschule

 

Der Ruhrverlauf im Ohl um 1900 (Reinkarte zur Separation 1902)

 

Für den nun folgenden Text wurden noch keine „Vorläufer“ gefunden, keine Informationen, die diesen Brief einleiten können. So mutet er wie ein Spektakel klerikalen Machtgehabens an. Pfarrer Sporkmann schreibt am 18. Mai 1841 in seinem Brief an den Freienohler Bürgermeister Alberts:

Hauptanliegen ist die Schlächtung der Pfarr-Wiese und Ruhr-Wiese im Ohl, in der Lanfer. Damit ist aus heutiger Sicht das Ruhrufer-Gelände gemeint, wozu der Schützenplatz der 3. Kompanie, der Regenbogen-Kindergarten und die Konrad-Adenauer-Hauptschule gehört.

„Schlächtung“ ist das Bauen eines vom Flussufer aus ins Wasser „geschlagenen“ Dammes, bestehend aus Buschwerk, Rasen, Steinen und Stämmen, Pfählen. Solche Dämme, es sind zumeist mehrere in kurzen Abständen, werden auch eine „Schlenge“ genannt. Ein einziges „Bollwerk“ auch „Schlacht“.

In seinem Brief geht es Pfarrer Sporkmann darum: „die von der (politischen) Gemeinde in dieser Angelegenheit gewählten und von der landrätlichen Behörde bestätigten Repräsentanten: Adam Kehsler, Gaudenz Kerstholt und Heinrich Sahse gerichtlich zu belangen und zur Erfüllung der unzweifelhaften Verbindlichkeit verklagen zu lassen. Da jedoch diese Repräsentanten wiederholt erklärt haben, dass sie zu einem gütlichen Verdingament (Ausführung, Erledigung) mit dem Pfarrvorstand geneigt seien, und zwar weil die Verbindlichkeit der Kirchengemeinde zur Schlächtung der Uferwiese jedenfalls bestehen und ein gerichtliches Verfahren außerordentlich große und demnach unnütze Kosten verursache, so habe der Pfarrvorstand ein gütliches Verdingament schon vor längerer Zeit in Vorschlag gebracht“... (in diesem Stil noch über eine ¾ Seite Text)
„Diese Aufgabe muss noch in den nächsten 14 Tagen angefangen werden.“ In der Antwort des Bürgermeisters kommt es nun darauf an: „dass dieser Gegenstand nur im gütlichen Weg befriedigt werden darf, wenn nicht Erbitterung und Unmenschlichkeiten in der hiesigen Gemeinde hervorgerufen werden sollen. Es ist bekannt, dass diese Angelegenheit von Ihrem Amtsvorgänger (Johann Nicolaus Hense, Pfarrer in Freienohl 1833-1837) gerade in seiner Zeit in Erregung gebracht worden ist, als zwischen ihm und der Gemeinde einige Disharmonie bestand und es herrscht eine (unterstrichen) Stimme darüber, dass dazu die Sache selbst nicht die geringste Veranlassung gegeben...“ Aus Pfarr-Archiv-Akten geht nur hervor, dass Pfarrer Hense „versetzt“ worden ist nach Kamen und Pfarrer Sporkmann (36 jährig) von Kamen. Die Arbeiten an der Ruhr wurden erledigt, regelmäßig, wie auch regelmäßig wieder Überschwemmungen stattfanden.

Am 29. Juni 1851 erklärt Heinrich Cohsmann auf dem Amt: „Die Gemeinde Freienohl beabsichtigt, an ihrem Grundstück Wiese in der sogen. Langfer (Lanfer) mehrere Kripp-Anlagen vorzunehmen und ich bin mit der Veranschlagung dieser Arbeiten beauftragt. Diese Arbeiten müssen, um gut und dauerhaft abgelegt werden zu können, größtenteils in Tagelohn ausgeführt werden und es kann daran nur die Anfertigung der nötigen Faschinen wenigstbietend verdungen werden (ausgeschrieben) werden.

Faschinen sind walzenförmige 2,5 – 5 Meter lange Strauch-Bündel von etwa 30 Zentimeter Stärke, die durch Draht oder Weidenruten fest zusammen gehalten werden und beim Flussufer-Bau zum Bekleiden von Böschungen benutzt werden.

Von diesen Faschinen müssen vorläufig 20 Schock angefertigt werden (alte Zählung: 1 Schock = 20 Stück, neue Zählung: 1 Schock = 60 Stück; welche Zählung hier gemeint ist, steht nicht fest). Dieselben (Faschinen) müssen 1 Fuß dick und zur ganzen Länge des Holzes angefertigt und mit 2 Weiden an den beiden Enden umbunden werden. Die Anfertigung derartiger Faschinen kostet in der Regel pro Schock 10 Silbergroschen.“ (AA 1665)
Am 28. August 1851 wird vom Amtmann Devivere durch den Polizeidiener Kaulmann öffentlich bekannt gegeben dieses „Verding“, das ist die Ausschreibung für einen genau bestimmten Arbeitsauftrag: „Die Anfertigung und Anfuhr von 20 Schock Faschinen und 10 Schock Pfähle behufs mehrerer Schlachtanlagen...“
Der Polizeidiener fügt noch hinzu: „Bei der Anfertigung und Anfuhr ist dem Krippen-Meister Heinrich Cohsmann gnt. Cordel Folge zu leisten. Bei den Vorarbeiten im Wald sind die Anweisungen des Waldwärters Kerstholt zu beachten!“

Aus einem Akten-Protokoll vom 20. Mai 1852 geht auch noch dieses hervor: „Bei der Wege-Anlage der Chaussee von Freienohl nach Meschede 1810 und den folgenden Jahren   den aus dem alten Bette abgeleiteten Ruhrfluss wieder in das alte Bett zurück zu bringen und durch hinreichende Einfriedigung die angrenzenden Grundbesitzer für alle Zukunft vor Schaden sicher zu stellen, - dabei geht es um die große Pöttgens Wiese, durch die im Jahre 1813 und in den folgenden Jahren bewirkte Verlegung des Ruhrbettes... durch die Trennung der Wiese in zwei Teile, durch die Entziehung der früheren natürlichen Bewässerung durch die stellenweise Versandung der gebliebenen Wiesenfläche...“ Im Grund geht es dabei um Geld, wer wofür zu zahlen hat; das wird hier ausgelassen, weil der angegebene Geldwert wohl nicht gerecht bewertet werden kann. Hier geht es um die Wahrnehmung der Zusammenarbeit, der sich daraus ergebenden Verpflichtungen für die Zukunft mit der Ruhr, den Wiesen, dem Leben in Freienohl.
Diese 1851 ausgechriebene Arbeit ist aufgrund der Gemeindeprotokolle wohl Ende 1852 abgeschlossen. In der Liste der Auszahlungen, Bezahlungen stehen diese Namen, manche mit, manche ohne Vornamen: Franz Pöttgen gnt. Rante für die Anfertigung der 22 Schock Faschinen (220 Stück), Kaspar Vogt für das Anfahren der Faschinen, Franz Humpert für das Anfertigen der 10 Schock Pfähle (100 Stück), Georg Schwefer für die Anfuhr der Pfähle, Gahse, Anton Kaulmann, Miehse, Lenze, Höhmann, Ferdinand Funke, Ferdinand Wrede, Franz Leineweber, Joseph Altenwerth, Adam Pöttgen, Franz Becker, mit Pferden gefahren Heinrich Cohsmann gnt. Vohshane, Franz Kerstholt, Fritz Cohsmann. 18 Freienohler. (AA 1665)

Kontrakt über gehörige Einbettung des Ruhrflusses in der Feldmark Alte Ruhr

Am 20. Mai 1852 beantragen bei der Regierung in Arnsberg die Freienohler Kaspar Lenze, J.F. Trompetter, Franz Christian Christoph Hirnstein, Kaspar Schröer, Johann und Joseph Trompetter: „In den Jahren 1833 oder 1834 (siehe oben!) wurde zwischen der Regierung in Arnsberg und den Erben Pöttgen hier ein Kontrakt abgeschlossen, in dem die letzteren die Verpflichtung übernommen haben, bei der Wege-Anlage der Chaussee von Freienohl nach Meschede im Jahr 1810 und folgenden Jahren von dem alten Bett abgeleiteten Ruhrfluss wieder in das alte Bett zurückzubringen und durch hinreichend Einfriedigung die angrenzenden Grundbesitzer für alle Zukunft vor Schaden sicher zu stellen. Das ist nicht hinreichend geleistet worden.. Für die unterzeichneten Bittsteller ist außer Zweifel, dass bei den nächsten Austritten (!) der Ruhr für sie ein großer Nachteil entsteht und gänzliche Weg-Schwemmung ihrer Grundstücke, wenn nicht schleunigste Verkehrung (Reparatur) getroffen wird. Die Regierung möge die Erben Pöttgen zur Erfüllung ihrer übernommen Pflicht anhalten.“

Wieder sei daran erinnert: hier geht es nicht um den Streit untereinander, sondern um die glaubwürdige Sorge um den bei Unwetter keinen Schaden anrichtenden Ruhr-Verlauf.
Am 26. Juli 1852 antwortet der Landrat in Arnsberg: „Die Erben Pöttgen sind ihrer 1834 übernommenen Pflicht in genügender Weise nachgekommen. Sie werden aufgefordert zur gehörigen (handwerklich gründlichen) Eindeckung der Ruhrufer oberhalb Freienohl in der Feldmark Alte Ruhr, den Ruhrfluss wieder in das alte Bett zurückzubringen und durch hinreichende Einfriedigung die angrenzenden Grundstücke für alle Zukunft vor Schaden sicher zu gestalten.“ (AA 1665)

Ruhr-Ufer-Schlächtung

Schon wieder muss eine Ruhr-Ufer-Schlächtung geplant werden in der Gemeinde-Versammlung, am 22. November 1852 für das nächste Frühjahr, bei den Gemeinde-Wiesen im Ohl. Unter der Leitung des Gemeinderats Sahse wird als Krippen-Meister beauftragt Franz Stahl von Olpe; er soll den Kostenplan vorlegen. - Im Gemeinde-Versammlungsprotokoll am 11. Juli 1853 heißt es freilich, dass erst im nächsten Frühjahr die Abdossierung der Gemeindewiese im Ohl längs der Ruhr gearbeitet“ werden soll.

Mit „Abdossierung“ ist eine flache Böschung zur Ruhr hin gemeint, damit die Überflutungen im Winter und Frühjahr möglichst wenig Schaden an dem Wiesen-Ufer anrichten.
            
Franz Trompetter gnt. Schröer erhält den Arbeitsauftrag. Am 14. April 1854 drängt Caspar Cohsmann gnt. Cordel die Gemeinde-Versammlung, die Uferdossierung endlich zum Abschluss zu bringen, „damit nicht das Wachstum des Grases gestört wird“. (AA 1665)

Instandsetzung der Ruhr zwischen Knäppchen und Lanfer mit 810 Faschinen

Am 7. April 1855 hat Maurermeister Franz Göckeler der Gemeinde-Versammlung, dem Gemeinde-Rat eine vier Seiten lange, inhaltlich gründliche „Kosten-Berechnung“ vorgelegt; hier auf ein Drittel gekürzt: „Über die Instandsetzung der auf der Lanfer liegenden durch die diesjährige Überflutung beschädigten Wiese“.  „Diese Wiese ist dermaßen ausgekalkt, dass eine Instandsetzung dieses Teils durchaus notwendig erscheint, wenn man nicht befürchten will, dass bei nächster Flut ein größerer Teil dieser Wiese fortgerissen werden soll. Es muss daher ein Teil dieser Stelle mit Strauchwerk, Faschinen, Uferschlächtung, mit grobem Kies ausgefüllt, mit den durch die 9 Fuß breite schräg auslaufende Abtragung des hohen Ufers an der beschädigten Stelle gewonnenen Erde, mindestens 1 Fuß hoch, überschüttet, planiert und mit Klee und Heusamen eingesät werden. Der andere weniger gelittene Teil muss mit der durch die 4 Fuß breite Abtragung des neben liegenden Rückens geebnet und wie neu besät werden. Das erforderliche Strauchwerk ist aus dem sogenannten Knäppchen zu entnehmen, veranschlagt (gemeint ist – damals – das Waldstück oberhalb des Küppelwegs, der Kapellenstraße).
Der Kies wird auf der vor der Wiese sich befindlichen Grandbank (= grober Kiessand) gewonnen. Der Rasen muss vorher in einer Stärke von 3 Zoll (1 Zoll = 3,7 cm) auf der zur Abtragung kommenden Stelle abgedeckt, zur Seite gelegt und den fertigen Teil, soweit die selbigen reichen, wieder damit belegt werden.“ - Wer sich diese Arbeit ohne Maschinen (1854!) vorstellen kann, der kann sich auch vorstellen, wie viele Freienohler bei Wind und Wetter, bei gutem und schlechtem Wetter, und mit viel Wasser – ohne Gummistiefel – hier zusammen gearbeitet haben! Damals waren dabei „Krippenmeister“ Heinrich Cohsman; in einer Liste stehen nur mit Nachnamen: Gahse, Kaulmann, Schramm, Vogt, Pöttgen, Miehse, Lenze, Höhmann, (nochmal:) Cohsmann; „mit den Pferden gefahren“ sind Heinrich Cohsmann und Gaudenz Kerstholt.

Ruhr-Schau

Zum 5. September 1872 für 10 ½ Uhr vormittags meldet sich der Landrat von Arnsberg mit der Ruhr-Schau-Kommission beim Amtmann Ley in Freienohl an zur Ruhr-Schau. Da sollen auch die Ufer-Besitzer anwesend sein. Sie sollen die Kommission informieren, „was zur Beschaffung von Vorflut, Räumung des Flussbetts oder Befestigung des Ufers gewünscht wird. Die Uferbesitzer können dann nicht zur Arbeit.“

Ähnliche Meldungen gibt es zum 16. Juni 1995, 1888, „1891 nachmittags um ½ 2 Uhr“. (AA 1665)

        3. August 1903: „Die am linken Ufer belegene Wiese von Becker
       gnt. Kaiser (Kaiserwiese, Langelbrücke) ist durch das Abfallwasser
               des Wehrs in Folge der Wehranlage stark gefährdet

Am 18. April 1903 schreibt der Landrat aus Arnsberg: „Die Ruhr-Schau wird wegen des hohen Wasserstandes in der Ruhr hierdurch aufgehoben.“ Der Freienohler Amtmann notiert am 20. April 1903 am Rand: „Zu den Acten. Zu knapp bemessen für die Uferbesitzer.“ Die Ruhr-Schau wird verschoben auf den 14. und 15. Mai 1903.
Die Uferbesitzer hatten „dafür zu sorgen, dass am Tag der Schau die Wiesenwässerung bis nach vollendeter Schau auf allen am Flussufer befindlichen Wiesen unterbleibt und die Stachelzäune, Hecken usw. so eingerichtet sind, dass die Commission am Ufer entlang gehen kann.“ Dafür, für dieses Gehen sind die Vorbereitungen nur durch Zusammenarbeit möglich. Die anwesenden Uferbesitzer sind „bei der Besichtigung selbst zum Vortrag zu bringen oder vorher bei der Schau-Commission einzureichen.“
Im Bericht des Landrats über die Ruhr-Schau am 15. Mai 1903 heißt es am 3. August 1903: „Die am linken Ufer belegene Wiese von Becker, gnt. Kaiser (Kaiserwiese, Langelbrücke) Ist durch das Abfallwasser des Wehrs (herab fallendes, herab fließendes Wasser, kein Schmutz-Wasser) in Folge der Wehranlage stark gefährdet. Wo jetzt die Wiese ist, war früher teilweise ein Loch... Abhilfe ist möglich durch Anhöhung der zum Wehr gehörigen Fachbauverlängerung auf der linken Fluss-Seite...“ („Loch“ sprachgeschichtlich auch ein anderes Wort für Sumpf; damit kann auch klar sein, woher das Wort „Katersiepen“ seinen Namen hat; rheinisch: katsch = Schmutzwasser.)

Auch schon 1887 Sorge und Arbeit „Für eine saubere Ruhr!“

Die Firmenleitung der Cellulose-Fabrik Wildshausen, die Herren von der Becke, Klagges und Beuther beantworten dem Freienohler Amtmann Enser am 5. November 1887 dessen Anfragen:
„Auf die mündliche Aufforderung vom 1.November teilen wir Ihnen mit, dass wir monatlich circa 650 bis 700 Cubikmeter wirkliche Kochlauge erhalten, welche durch ein Pumpwerk in die neu angelegten Klärteiche gebracht wird. Wir bemerken indessen, dass diese Lauge mit einer Temperatur bis zu 80 Grad Celsius in die Teiche gelangt und dass ein Teil derselben in Folge dieser hohen Temperatur und auch der großen Oberfläche in den 3 Teichen verdunstet. Was nun die Benutzung der alten Klärteiche anbetrifft, so können wir dieselben nicht entbehren. In diese Teiche fließt das bei der Fabrikation benutzte Waschwasser und klärt sich in derselben.
Lauge kommt nicht in diese Teiche, sondern wird, wie bereits oben angeführt, vermittelst eines Pumpwerks in die oberen neuen Klärteiche gepumpt. Im Übrigen beziehen wir uns auf den Königlichen Gewerberat Herrn Ostheus, welcher am 31. Oktober dieses Jahres hier war und die ganze Fabrik nebst Klärteichanlagen einer genauen Prüfung und Besichtigung unterworfen hat.
Bei dieser Gelegenheit wollen wir es nicht unterlassen, dass von unserer Seite schon zum Öfteren beobachtet ist, dass das Wasser der Ruhr, bzw. in unserem Obergraben, also oberhalb unserer Fabrikanlagen getrübt und verunreinigt war. So war zuletzt am 2. des Monats vormittags gegen 10 Uhr die Oberfläche unseres Obergrabens mit einer bläulich braunen Fett artigen Haut bedeckt, welche sich beim Fließen des Wassers unter Schaumbildung Wolken artig ausdehnte und zusammenzog. Diese letzte Verunreinigung ist außer von unserem Betriebsführer Herrn W. Schenck noch von Johann Cohsmann, Glösingen, Hermann Beckmann dort, Heinrich Blume dort und Johann Weber aus Freienohl längere Zeit beobachtet worden und geben wir anheim, diese darüber vernehmen zu wollen.

Hochachtungsvoll ...“

Daraufhin beauftragt der Landrat den Amtmann Enser, der soll den Polizeidiener mit der Controlle der Ruhr bei den anderen Firmen beauftragen“; am 12.11.1887. (AA 1667)

Bau des Untergrabens für die Stromversogung

                  Am 17.06.1907 erhielt die Gemeinde Freienohl
             die Konzession zum Bau einer Stauanlage in der Ruhr,
        um das Gefälle für eine Wasserkraftanlage nutzen zu können.

Aus einem Bericht vom 1. August 1909: „Dem hiesigen Polizei-Amt mache ich hiermit Anzeige, dass die Gemeinde Freienohl beim Ausbau des Elektrizitätswerks oberhalb des Untergrabens an diesem entlang bis an die Ruhr einen circa 140 Meter langen Damm anzulegen im Begriff ist, der an einigen Stellen aber einen Meter hoch wird. Die Arbeit wird mit zehn Erdarbeitern betrieben und sind am oberen Ende schon circa 20 Meter fertig gestellt. Der Leitungsbeamte Meyer zu Freienohl. Durch diese Damm-Anlage wird bei Hochwasser die Ruhr eingeengt und auf ihr Fluss-Bett beschränkt, was nach dem Gesetz nicht erlaubt ist. Die Polizei ist deshalb verpflichtet, hier Einhalt zu gebieten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass mein über diesem Damm liegender Weidekamp bei Hochwasser in einen Teich verwandelt und in dem sich alles ablagert, was die Ruhr mit sich bringt...“ (AA 1673)

Kahnfahrten auf der Ruhr

Kahnfahrten auf der Ruhr im Ruhrgarten

Zwanzig Jahre später sieht alles anders aus – auch für das Zusammenleben
Der Erlaubnisschein des Landrats vom 20. September 1928:

„Dem Maurer Franz Rocholl in Freienohl erteile ich hiermit gemäß § 21 des Wassergesetzes vom 7. April 1913 mit Zustimmung des Herrn Regierungspräsidenten in Arnsberg die Genehmigung, auf der Ruhr in Freienohl zwischen der Provinzialstraßenbrücke und der Eisenbahnbrücke den Betrieb des Kahn-Fahrens einzurichten unter der Voraussetzung, dass an den Grundstücken des Kreiselektrizitätswerkes Arnsberg und der Gemeinde Freienohl nicht gelandet wird und keine Störungen oder Belästigungen auftreten.“ (AA 1673)

Bericht: Heinrich Pasternak, September 2010
Fotos und Layout: Karl-Heinz Kordel